Wen überrascht’s: In der Mail-Flut und im Posts-Tsunami hebt sich Handschriftliches wohltuend ab. Nicht ohne Grund ist Handlettering, das kunstvolle Schreiben von Hand, seit einiger Zeit als Entspannungshobby wieder im Trend. Und: Handarbeit in Briefform wird zu 99 Prozent geöffnet. Und hoffentlich auch gelesen. Das machen sich auch Start-up-Unternehmen zunutze. Nun gabs den Schreiberling schon viele Jahrhunderte, Jahrtausende früher. Ein nobler Job bei den Ägyptern, eine ehrenhafte Aufgabe am Hof. Sekretäre beherrschten das Handwerk.
Ob es dafür gerade einen «fremden» Schreibdienst braucht, wie es die Gründer der Schreibstatt in Berlin sagen, das mag man bezweifeln. Beziehungsweise: ist ein Marketing-Gag, um Marketingbotschaften zu mehr Beachtung zu verhelfen.
Vielmehr braucht es aber in meinen Augen einfach etwas mehr Zeit. Wer seinen Kunden seine Handschrift schenkt, beweist damit nicht nur Stil, sondern eben auch Mut. Denn wer von Hand schreibt, der denkt automatisch mehr. Mit dem Füller will man ja eine gute Falle machen. Will man seine Gedanken geordnet aufs Papier bringen. Und das steigert den Gehalt massiv, das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung bestätigen. Dass das handschriftliche Schreiben auch gleich noch gutes Hirntraining ist, das sei – sozusagen als Randnotiz – hier auch noch erwähnt. Und wenn wir schon bei den Randnotizen sind: Es ist mir schlichtergreifend – und hier spricht ein Linkshänder, der qualvoll die Schnüerlischrift erlernen musste – unverständlich, wieso in der Schule die Lerneinheiten für Schreiben und Schönschreiben abgeschafft werden und die Normschrift nicht mehr als Mass der Dinge zählt. Eine Verwässerung, eine Nivellierung, ein Wildwuchs? Ein wenig von allem. Aber vor allem: ein Kulturverlust.
Fazit: Nicht die reine Öffnungs- und Beachtungsquote zählt also, sondern eher der Inhalt. Und dieser lässt sich (noch) nicht outsourcen. Wenn also ein Schreibdienst, dann ein Schreibbediensteter. Bereit zum Diktat?
Start-up für Handschriftliches in Berlin: gruenderszene.de
Über das Verschwinden der Handschrift – und die Folgen fürs Hirn: zeit.de
Zum Tod der Schweizer Schnüerlischrift: tagesanzeiger.ch